

Die Geschichte des Duisburger Eishockeys
Die großen Erfolge, aber auch die Rückschläge – sie machen die Duisburger Eishockey-Geschichte aus. Am 27. November 1991 wurde der EV Duisburg gegründet, der aber mehr ist als nur diese 33 Jahre. Das Duisburger Eishockey existiert seit nun schon mehr als 53 Jahren. Und die Fans lieben es für die vielen Geschichten, die es erzählt.
Es war nur eine kleine Zeitungsmeldung. Ein Einspalter. Er verkündete, dass am 27. November 1991 der Eissport-Verein Duisburg gegründet worden ist. Fast schon ein wenig verschämt kam der Artikel daher. Ein Verein, der sich von Beginn an – und zum ersten Mal in der Duisburger Eishockey-Geschichte – ein Maskottchen zulegte. Der Fuchs im ersten Logo hatte etwas von einer Comic-Figur, strahlte aber viel Charme aus. Denn dieser Verein wurde von den Eltern der Nachwuchsabteilung des DSV 87 gegründet. Ein Verein, der so etwas wie eine viereinhalbjährige „Übergangsphase“ war. Dennoch brachte auch der DSV 87 viele schöne Momente in die Erinnerungen an über 50 Jahre Eishockey in Duisburg ein. 1971 ging es beim DSC Kaiserberg los, die Eishockey-Abteilung wurde 1981 eigenständig, ehe der DSC mit dem Ende der Saison 1986/87 in Konkurs ging. Der Duisburger Schlittschuh-Verein 1987 war sein Nachfolger – doch mitten in der Saison, im Oktober 1991, war Schluss. Wieder war das Geld weg, der DSV wurde aus dem laufenden Spielbetrieb der 2. Bundesliga ausgeschlossen.
Jeder, der die Nachricht las, in der Zeitung oder im Videotext – das Internet gab es ja noch nicht –, war geschockt. Und dann der 27. November 1991. Die Hoffnung kehrte zurück. Zum einen für die Kinder und Jugendlichen, die in Duisburg Eishockey spielten. Und zum anderen natürlich für die Fans. Man sah seine Freunde wieder in der Eissporthalle, man freute sich auf die ersten Spiele des – warte, wie wird der Verein abgekürzt? – EVD. Los ging es am 2. Februar. In der Qualifikation zur Landesliga. Was folgte waren viele Jahre mit einem bemerkenswerten Aufstieg. Von buchstäblich ganz unten stieg der EVD immer weiter auf. Und kam 2005 in der Deutschen Eishockey-Liga an. Erstmals erstklassig seit 1981. 2009 ging es in der DEL nicht weiter, der EVD ging runter, spielte nach zunächst einem Jahr in der Regionalliga seit 2010 in der Oberliga. Eine reine Erfolgsgeschichte – das sind die über 53 Jahre Eishockey in Duisburg nicht. Doch die Geschichten, die die Spieler schrieben, die die Fans bejubelten, die Kids, die im Nachwuchs spielten und spielen – das alles ist nach wie vor die Seele des Vereins. Nun sind die Füchse 33 Jahre alt. Und was so manch einer am 27. November 1991 wohl kaum für möglich gehalten hätte: Der EVD macht damit alleine mehr Duisburger Eishockey-Geschichte aus als der DSC und DSV. Unglaublich – und im deutschen Eishockey längst keine Selbstverständlichkeit.
Wer EVD sagt, wer an die Füchse denkt, der meint allerdings alles, was seit 1971 geschah. Die Clubs standen immer in einer direkten Linie. So sind 33 Jahre EVD eben auch: 53 Jahre Eishockey in Duisburg. DSC-Legenden wie Lynn Powis und Ken Baird, DSV-Lieblinge wie Francois Sills (der in Duisburg immer nur Frank Sills genannt wurde) und Ben Doucet, der „Kurzzeit-Import“ Tim Cranston, der nach seinem siebten und letzten Spiel für den DSV einen – natürlich jugendfreien – „Striptease“ für die begeisterten Fans auf der Eismaschine hinlegte, die EVD-Legenden Frank Pribil (#27) und Ron Noack (#29), deren Rückennummern gesperrt sind und nie wieder vergeben werden – all das steht nicht nebeneinander. Es ist eins. Das sind wir. Das ist Eishockey in Duisburg. Das sind die Füchse.
Aber wann begann eigentlich das Eishockey in Duisburg? Das ist keine leicht zu beantwortende Frage. Das beste Datum ist der 11. Januar 1971. An diesem Tag fand zum allerersten Mal ein Eishockeyspiel innerhalb der Stadtgrenzen statt. Der damalige Duisburger SC bestritt in der „Saison null“ – der Spielzeit, bevor erstmals um Punkte gekämpft wurde – ein Freundschaftsspiel gegen Preußen Krefeld. Es waren vornehmlich Spieler aus Krefeld, aber auch aus Düsseldorf, die die Pionierarbeit in Duisburg übernahmen. Dieser erste Test zeigte, wie die Ambitionen des neuen Teams einzuschätzen waren: Der DSC gewann mit 14:0! Die Eissporthalle war damals noch nicht einmal komplett fertig gestellt – und dennoch kamen rund 2000 Zuschauer an die Wedau, um das neue Team spielen zu sehen. Die Bauaufsicht zeigte sich geschockt – sprach ein Verbot für weitere Spiele aus, ehe die Eissporthalle nicht komplett fertiggestellt sei. Rund einen Monat später stellte sich eine kanadische Militärauswahl in Duisburg vor – und wurde mit 23:2 vom Eis gefegt.
Warum das Datum, dass den Beginn markiert, so schwierig ist, zeigt der Umstand, dass das Duisburger Team schon in der Zeit von September bis November 1970 sechs „Ur-Spiele“ hinter sich brachte: Auswärts trat der DSC zu Trainingsspielen an, gewann dabei unter anderem gegen den damaligen Kölner EK und den Krefelder EV. Aber das war eben auswärts – und zudem sind die exakten Termine dieser Partien heute nicht mehr bekannt – bislang gibt es nur eine Ausnahme. Kurz nachdem wir EVD-Archiv.de ins Leben gerufen hatten, konnte uns Thomas Glaser, der die Geschichte des Dortmunder Eishockeys erfasst hat, mit dem Datum für das fünfte „Ur-Spiel“ aushelfen. Nun wissen wir, dass sich der damalige ERC Westfalen Dortmund und der DSC am 23. November 1970 in Dortmund gegenüberstanden.
Auch der 23. Oktober 1971 ist einer dieser „Premieren-Tage“ – damals legte der DSC so richtig los, trat zum ersten Mal im Kampf um Punkte an und gewann in der seinerzeit drittklassigen Regionalliga gegen den HTSV Bremen mit 16:0. Diese Kantersiege begleiteten die Duisburger durch diese erste Spielzeit. Der 33:1-Sieg (!) gegen den ESC Soest am 22. Januar 1972 ist noch heute das Rekordergebnis einer Duisburger Eishockey-Seniorenmannschaft. Ein ganz besonderer Meilenstein gelang Heiner Bayer. Der Mann, der später ein erfolgreicher Fotograf in Hamburg wurde, aus dem Krefelder Nachwuchs stammte und in den Nachwuchs-Nationalmannschaften des Deutschen Eishockey-Bundes auflief, erzielte in gerade einmal 26 Saisonspielen unfassbare 111 Tore. Eine Torquote, die bis heute unüberboten ist – und das wohl auch bleiben wird. Diese erste Mannschaft bietet Stoff für etliche Geschichten: Eine davon ist mit Ivars Weide verbunden. Sein Vater Rudi war der erste Trainer des DSC, der zudem auch die Eissporthalle leitete. Ivars spielte nur fünfmal für den DSC, traf dabei 13 Mal – und schied nach einem Foul, bei dem er in die Bande stürzte, mit einer Rückenverletzung aus. Schlimmer als das war aber eine Krankheit, die beinahe gleichzeitig diagnostiziert wurde: eine degenerative Augenerkrankung, die ihn schließlich erblinden ließ. Doch Sportler bleibt Sportler. Ivars Weide kämpfte, fuhr erst Fahrrad und entdeckte den Golfsport für sich. Im Blindengolf wurde er schließlich Europameister.
Der DSC fand seinen Weg schnell nach oben. 1973 gehörten die Duisburger zu den Gründungsmitgliedern der 2. Bundesliga, die den professionalisierten Unterbau der 1. Bundesliga darstellte. Und früh fand der Traum vom Erstliga-Aufstieg den Weg in die Köpfe von Machern und Fans. Geprägt vom damaligen Manager Fritz Hesselmann – ein alles anderer als unumstrittener Mann – war es 1979 so weit. Angeführt von den beiden Kanadiern Lynn Powis und Ken Baird, zwei Spieler, die ebenso hart wie erfolgreich agierten, gelang souverän der Aufstieg. Und die Premierensaison verlief bestens. Mit dem Abstieg hatte das Team nichts zu tun, erreichte gar die Zwischenrunde um die Deutsche Meisterschaft. Während der Olympiapause 1980 machte sich der DSC zudem auf einen Weg, der lange Zeit außergewöhnlich war: Die Duisburger traten zu einer Freundschaftsspielreise ins Mutterland des Eishockeys nach Kanada an. Erst München vor wenigen Jahren machte es dem DSC nach. Die Intention der Duisburger damals: Die Suche nach Kanadiern, die schnell einzubürgern wären, um mehr als die erlaubten zwei ausländischen Spieler einsetzen zu können. Diese Spieler fand man, doch die Einbürgerung – auf legalem Weg – scheiterte. Im so genannten Passfälscherskandal waren etliche Spieler und Vereine verwickelt – eben auch der DSC. Gefälschte Papiere machten Kanadier zu Deutschen – und den DSC, als die Sache aufflog, zum Absteiger im Jahr 1981. Von diesem Rückschlag erholte sich der DSC, dann schon als eigenständiger Verein DSC Eishockey, nur langsam, sprach zwar schnell vom Wiederaufstieg, der aber nicht gelang. Am Ende der Saison 1986/87 war das Geld weg. Längst weg. Der Konkurs war nicht zu verhindern.
Der Fall damals war weich. Zwar musste mit dem Duisburger Schlittschuh-Verein 87 ein neuer Club aus der Taufe gehoben werden, doch man konnte in der 2. Bundesliga weitermachen. Dennoch waren die Fans außer sich, als die damalige Vorsitzende Hannelore Hesselmann bei der Saisoneröffnung sagte: „Der DSC ist tot. Es lebe der DSV.“ An sich ein Satz, den sie sagen musste. Doch mit dem DSC verbanden die Fans eben den Eishockeysport in Duisburg. Der neue Verein wurde nur viereinhalb Jahre alt, ehe der zweite Konkurs den Puckjägern beinahe endgültig den Todesstoß versetzte. Doch die kurze Zeit, die dem DSV 87 vergönnt war, brachte dennoch ihre Höhepunkte mit sich. In der Saison 1989/90 erreichten die Duisburger die Aufstiegsrunde zur 1. Bundesliga. In der Zweitliga-Saison dominierten der ECD Sauerland aus Iserlohn und die Duisburger das Geschehen in der 2. Liga Nord. Die beiden Heimduelle mit den Sauerländern waren „überausverkauft“ – und während Iserlohn mit jedem anderen Gegner so ziemlich das machte, was es wollte, gewann der DSV 87 drei von vier Duellen – darunter beide Heimspiele.
Diese Saison wurde von einem Mann geprägt, der eine bemerkenswerte Karriere hinlegte. Denn der Coach der erfolgreichen Duisburger war Ralph Krueger, der als Spielertrainer auflief und sich danach im internationalen Eishockey einen Namen machte. Nach seiner Zeit in Duisburg coachte er sieben Jahre lang die VEU Feldkirch – und er gewann mit den Österreichern 1998 den Europapokal. Danach wurde er Nationaltrainer der Schweiz, was er bis 2010 blieb, ehe er die Edmonton Oilers in der National Hockey League, der besten Liga der Welt, übernahm. Im September 2016 coachte er schließlich die Europa-Auswahl beim World Cup of Hockey und führte sie, gemanagt von Franz Reindl, ins Turnierfinale. Danach war er im Fußball zu Hause und wurde Manager des FC Southampton in England.
Doch das kurze Dasein des DSV 87 endete abrupt. Gegen den damaligen EHC Dynamo Berlin, der heute als Eisbären Berlin zu den Spitzenvereinen der DEL gehört, spielte das Team letztmals am 13. Oktober 1991, ehe der zweite Konkurs dafür sorgte, dass der Verein aus der 2. Bundesliga ausgeschlossen wurde. Doch aus den Eltern der Nachwuchsabteilung heraus wurde am 27.November 1991 der EV Duisburg mit Dieter Jansen als Präsident gegründet – der heutzutage Ehrenvorsitzender der Füchse ist.
Der Start der Füchse war aber nicht so butterweich wie der des DSV 87. Es ging ganz nach unten – mitten in der Saison konnte der EVD in die Qualifikationsrunde zur Landesliga, das war damals die sechste Liga, einsteigen. Das erste Spiel stand am 2. Februar 1992 auf dem Plan: eine Auswärtspartie beim TSVE Bielefeld, der auf einer unüberdachten Eisbahn zu Hause war. Doch das reine Juniorenteam schickte sich an, an der eigenen, der neuen Geschichte zu schreiben. Die junge Duisburger Mannschaft dominierte das Geschehen und gewann fast immer zweistellig. Wie 1971 in den Anfängen des DSC. Beim 20:4 auswärts gegen den ESC Iserlohn, einem kleinen Amateurverein, gelang Johannes Kehnen, der heute in der Alt-Herren-Mannschaft des EVD spielt, ein Hattrick innerhalb von nur 16 (!) Sekunden. Parallel spielte das Team auch noch in der Juniorenliga – und besiegte dabei Hennef mit 49:0 – bis heute das Rekordergebnis des Duisburger Eishockeys. In der Saison 1992/93 wurde der EVD schließlich in der NRW-Liga eingruppiert. Ein Mann, der den Weg in die Herzen der Fans fand, war Frank Pribil. Der aus Meiderich stammende Torhüter war der erste Spieler des vorherigen Zweitliga-Teams, der sich bereit erklärte, in der fünften Liga an den Start zu gehen. Und er machte den zügigen Wiederaufstieg mit – und ist der einzige Spieler der Duisburger Eishockey-Geschichte, der von sich behaupten kann, in der fünften, vierten, dritten, zweiten und ersten Liga für Duisburg gespielt zu haben. Denn als der EVD in der DEL angekommen war, wurde „Zwiebel“, wie er von allen genannt wurde, noch einmal lizenziert und kam in einer Erstliga-Partie zum Einsatz.
Eine andere Legende der frühen EVD-Jahre ist Ron Noack – der aus Weißwasser stammende Stürmer wurde zum Rekordspieler der Füchse. Heute sagt der Sohn von Rüdiger Noack, dem einstigen sportlichen Berater der Krefeld Pinguine: „Ich bin zu 99 Prozent Duisburger. Ein Prozent bleibt in Weißwasser.“
Was er außerdem sagt: „Wenn mir das damals jemand gesagt hätte . . .“ Das denkt er, wenn er sich an ein Spiel im Dezember 1989 erinnert. Kurz nach dem Mauerfall spielte er mit Dynamo Weißwasser hier in Duisburg, bestritt ein Freundschaftsspiel gegen den damaligen Zweitligisten DSV 87. Nach dem Spiel ging das Team des 25-fachen DDR-Meisters im Restaurant Mediterran essen – das schräg gegenüber vom heutigen „House of Cigars“ liegt, das Noack betreibt. In der Zeit dazwischen spielte Ron Noack, der von den Fans immer „Der Vollstrecker“ genannt wurde, 394 Mal für den EVD. Er ist damit der Rekordspieler der Füchse, was die reinen Spiele für den EVD (ohne DSC und DSV) angeht. In diesen 394 Spielen traf Ron Noack 104 Mal und bereitete weitere 143 Treffer vor. In der Gesamt-Eishockeygeschichte Duisburgs (einschließlich DSC und DSV) seit 1971 gibt es nur drei Spieler, die mehr Spiele für die erste Mannschaft absolviert haben: Stephan Philipp (507; davon keines für den EVD), Frank Pribil (490; davon 385 für den EVD) und Ralf Hoffmann (428; davon 80 für den EVD).
Ein zur Legende gewordenes Duisburger Eishockeyspiel fand am 29. Dezember 1996 statt. Damals schien der EVD die Meisterrunde der 1. Liga Nord, wie die damals zweithöchste Spielklasse hieß, zu verpassen. Es lief gar nicht. Selbst gegen den Tabellenletzten in Unna setzte es eine Niederlage. Der Trainer wurde ausgetauscht, ein Großteil der Mannschaft ebenso. Die Füchse holten auf den Ausländerpositionen erstmals finnische Spieler: Tero Toivola, Sami Leinonen, Tomi Leistola und Jouni Tuominen. Allen diesen Spielern gelang in ihrem ersten Spiel für den EVD in der jeweils ersten Spielminute ein Tor. Verrückt genug. Doch die grandiose Aufholjagd schien nicht von Erfolg gekrönt zu sein. Im letzten Spiel vor der Meisterrunde musste der EVD gegen den EC Wilhelmshaven ran. Nicht irgendein Gegner, sondern eben jener Kontrahent, den es vom letzten noch freien Platz in der Meisterrunde zu verdrängen galt. Die Ausgangslage: Nur ein Sieg mit sieben Toren Unterschied bringt den Erfolg. Aussichtslos. Die Fans kamen, sie sangen – aber eher aus Anerkennung der Leistung. Die Hoffnung, das Wunder von der Wedau vollbringen zu können, war eher klein. Dennoch sangen die Fans vor Beginn: „Nur noch sieben!“ Der EVD führte. 1:0. 2:0. 3:0. Doch als im zweiten Drittel den Gästen das 1:3 gelang, schwand die kleine Hoffnung. Zu Beginn des letzten Drittels stand es 5:1 – doch dabei blieb es: bis zur 58. Minute. Als noch weniger als zwei Minuten zu spielen war, erhöhten die Füchse auf 6:1. „Nur noch zwei!“ Immer noch die 58. Minute. Das 7:1. „Nur noch eins!“ Trainer Jiri Kochta nahm eine Auszeit, doch Torhüter Carsten Gossmann, Thomas Werner und Tero Toivola fuhren nicht zur Besprechung an der Bande. Sie bauten sich vor der Fantribüne auf und heizten die ohnehin schon völlig aufgekratzten EVD-Fans immer weiter an. Das Spiel geht weiter. Bully im eigenen Drittel. Torhüter Carsten Gossmann verlässt das Tor, um Platz für einen sechsten Feldspieler zu machen. Thomas Werner hat die Scheibe, links im eigenen Drittel. Er passt quer heraus, nach rechts auf Tero Toivola. Der Finne gibt Gas, dringt ins gegnerische Drittel ein, legt quer, findet mit seinem Pass den Kanadier Jay Mazur, der zuvor schon viermal in diesem Spiel getroffen hatte. Mazur, von allen nur „Big Daddy“ genannt, nimmt den Puck direkt. Links, auf halber Höhe, fliegt die Scheibe ins Netz. Es steht 8:1. Die Uhr stoppt – 14 Sekunden vor dem Ende des Spiels. Solche Geschichten erfindet ansonsten nur Hollywood in seinen Sportfilmen.
So gerade eben hatte der EVD mit dem „Wunder von der Wedau“ die Meisterrunde erreicht und traf ausgerechnet fünf Tage später im Auftaktspiel auf den Dauerrivalen aus Essen, der die Vorrunde dominiert hatte. Als die Füchse den Favoriten und Derbygegner mit 11:2 aus der Eissporthalle schossen, war es um die Fans geschehen. Die Finnen drehten dermaßen auf, das von einem Herner Spieler im Rahmen des 11:4-Heimsieg gegen den zweiten Ruhrrivalen die Worte überliefert sind: „Wenn die durchgedrehten Finnen drauf sind, gehe ich nicht mehr aufs Eis!“ Ehrlich gesagt, ist das das ein redigiertes Zitat. Im Original sagte er: „die bekloppten Finnen“. Selten steckte in einer „Beleidigung“ mehr Hochachtung.
Diese Geschichte blieb lange die größte Story, die es über den EVD zu erzählen galt. Bis zur Saison 2004/05. Inzwischen war der EVD in der 2. Bundesliga angelangt und gehörte plötzlich zu den Spitzenteams. Mit vielen Nachwuchskräften der Erstligisten per Doppelspielrecht verstärkt waren die Füchse nach den Straubing Tigers das beste Team der Liga. Und aus der NHL – der besten Liga der Welt, die gerade von einem Spielstreik gelähmt war – wechselte Verteidiger Nolan Pratt von Tampa Bay nach Duisburg. Mit ihm wurde das ohnehin gute EVD-Team zur besten Mannschaft der 2. Bundesliga. In den Play-offs wurden erst Weißwasser und Regensburg ausgeschaltet, ehe es gegen Straubing ins Finale ging. Mit drei Siegen in drei Spielen stürmte der EVD ins Oberhaus – 26 Jahre, nachdem letztmals und bis dahin zum einzigen Mal der Aufstieg in die 1. Liga gelungen war. Und der EVD konnte von sich behaupten, den sportlichen Aufstieg von ganz unten bis ganz nach oben geschafft zu haben.
„26 Sekunden Hoffen. 26 Sekunden Bangen. Noch 26 Sekunden bis zur Deutschen Eishockey-Liga.“
Danny Ortwein in seiner Reportage für Radio Duisburg
Damals übertrug Danny Ortwein, heute Danny Pabst, das Spiel für Radio Duisburg. Seine Reportage wurde legendär. Als am 17. April 2005 eine 4:3-Führung der Füchse auf der Straubinger Anzeigetafel leuchtete, sagte er: „26 Sekunden Hoffen. 26 Sekunden Bangen. Noch 26 Sekunden bis zur Deutschen Eishockey-Liga.“ Straubing hatte seinen Torhüter aus dem Spiel genommen, um mit einem weiteren Feldspieler den Ausgleich zu erzwingen. Danny Ortwein schilderte die entscheidende Szene so: „Michael Waginger setzt nach. Er fängt die Scheibe ab. Mach es, Junge! Jaaaa! Michael Waginger schießt den EV Duisburg in die Deutsche Eishockey-Liga. Michael Waginger! Elf Sekunden vor dem Ende!“
Die nach Straubing mitgereisten Duisburger Fans stürmten das Eis. Ein Daheimgebliebener gestand später: „Ich hatte Tränen in den Augen, als ich die Reportage von Danny hörte.“ Die Fans, die zu Hause geblieben waren und die aus Straubing heimgekehrten, trafen sich am folgenden Morgen um 6 Uhr an der Scania-Arena, wie die Eissporthalle damals hieß. Inzwischen hört sie auf den Namen Pre-Zero-Rheinlandhalle. Die Idee: Leise in die Halle gehen, das Licht ausgeschaltet lassen – und die Spieler überraschen, sobald sie heimkehren würden. Das gelang. Stundenlang wurde gefeiert. Eine Mutter, selbst glühender Füchse-Fan, sagte damals: „Ach was, die Kinder gehen heute einfach etwas später in die Schule.“
Auch die vier Jahre in der DEL hatten trotz des fest gebuchten letzten Platzes, weil einfach die nötigen Sponsorengelder fehlten, ihre Highlights. So spielte der legendäre Torhüter Robert Müller – der beliebte Nationalspieler starb später an einem Gehirntumor – kurzzeitig für Duisburg, ehe er nach Köln wechselte. „Duisburg“, sagte er, „hat mir die Chance gegeben, wieder zu spielen und mich für die Haie zu empfehlen. Ich bin dem EVD zutiefst dankbar.“ Wer Müller kannte, weiß: Das war keine Floskel. Seine gelebte Bescheidenheit war neben seiner Klasse, ein Grund dafür, warum er so beliebt war – bei den Fans aller Vereine. Und warum sein viel zu früher Tod die Fans in Deutschland derart schockte.
Nach den vier Jahren DEL ging es nach unten in die Regionalliga. Neustart. Sofortiger Aufstieg in die Oberliga. Der EVD wollte hoch, keine Frage. Mitte der 2010er-Jahre sollte es weiter nach oben geht – doch das klappte nicht. 2015 stand der EVD in einem bemerkenswerten Play-off-Finale gegen den EHC Freiburg. Erst das letzte Spiel der Best-of-Five-Serie im Breisgau entschied die Serie und damit über den Zweitliga-Aufstieg. Die Freiburger gewannen mit 1:0. Knapper geht es nicht. 2016 sollte der nächste Anlauf genommen werden – doch der Run auf die DEL2 wurde bereits im Achtelfinale von Leipzig gestoppt. Der Traum vom DEL2-Aufstieg blieb unerfüllt. Rückschläge, das weiß jeder, der das Duisburger Eishockey kennt und liebt, gehören einfach dazu.
Nachdem die Kenston-Gruppe zwischenzeitlich die Führung der ersten Mannschaft übernommen hatte, kehrte Ralf Pape zur Saison 2019/20 in die Verantwortung zurück, sanierte einmal mehr die Eissporthalle. Ab 2020 war der Stammverein auch für die erste Mannschaft zuständig und setzt dabei auf die unter Dirk Schmitz florierende Nachwuchsarbeit. Der Verein ging einen Schritt zurück in die Regionalliga, um neuen Anlauf zu nehmen. Die Saison 2020/21 fiel aufgrund der Corona-Pandemie bis auf sechs Vorbereitungsspiele komplett aus. Zur Spielzeit 2021/22 kehrte der EVD aufs Eis zurück – und das erfolgreich. Am Ende stand eine bemerkenswerte Finalserie gegen den EHC Neuwied – und erstmals ein Play-off-Finalsieg auf eigenem Eis, der ausgelassen gefeiert wurde.
Der EVD war in die Oberliga zurückgekehrt, spielte mit vielen Duisburgern und Spielern, die längst zu Duisburgern geworden waren, erfolgreich – es war die erste Saison mit den Wernerson-Libäck-Zwillingen, die zur Spielzeit 2024/25 nach Duisburg zurückgekehrt sind, nachdem es 2023/24 nicht so gut gelaufen war. Es bleibt dabei: Auf und Ab. Das ist ein Teil der Duisburger Eishockey-Geschichte.
Inzwischen aber ist am Horizont ein neues Kapitel dieser Geschichte zu erkennen. Der Stadtrat hat inzwischen einer Machbarkeitsstudie für eine neue Eissporthalle – für rund 5000 Zuschauer und mit zwei großen Eisbahnen – einstimmig zugestimmt. Sollte diese neue Halle gebaut werden, könnten die Füchse – mit ihrer ersten Mannschaft und dem Nachwuchs – vor einer großen Zukunft stehen. Wie der Weg dorthin aussehen wird? Wir werden es uns gemeinsam anschauen. Immer in der Hoffnung auf neue große Momente.